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„Ohne Popcorn würden wir es nicht schaffen“

Erleben ·
Kino Wesenbergfront

Christiane und Arno Bongartz führen in Wesenberg das älteste erhaltene Landkino in der Region.

Ein Interview mit der Kinochefin.

Fotos und Text: Annika Kiehn


Was ist das Schöne daran, ein eigenes Kino zu haben?
„Unbegrenzt Filme gucken zu können.“

Wie kommen zwei Berliner dazu, eines in Wesenberg zu betreiben?
„Weil sie Cineasten sind. Mit 16 Jahren war ich in Paris, da gab es riesige Schlangen vor den Kinos am Vormittag, das hat mich völlig fasziniert. Da lief Aguirre, der Zorn Gottes (mit Klaus Kinski), der zu der Zeit in Deutschland verboten war. Auf Französisch mit englischem Untertitel. Seitdem war ich infiziert.“

Warum ist es Ihnen wichtig, dass es hier ein Kino gibt?

„Na das gehört doch dazu. Ich habe das als Kind vermisst, weil ich nie ins Kino gehen durfte. Das hatten meine Eltern echt nicht drauf.“

Wo kommen Sie her?

"Bin aus Nordrhein-Westfalen. 1982 bin ich nach Berlin zum Studium gezogen. Beruflich bin ich Biologin und Cineastin. Ich mache alles, was mir Spaß und Freude macht."

Ihr Mann Arno fügt hinzu: „Ich habe dafür eine schöne Formulierung: Ich bin das Standbein, meine Frau ist das Spielbein. Ich arbeite beim Senat in Berlin bei der Wasserbehörde. Das Kino ist mein Ausgleich.“

Wie haben Sie das alte Landkino gefunden?
„Wir haben '89 unseren ersten Winter hier oben verbracht. Die norddeutsche Tiefebene ist meine Landschaft, die finde ich total toll. Wir sind immer wiedergekommen. Wir haben Bekannte hier auf dem Campingplatz, die kennen wir schon ewig. Eines Tages, 2000 rum, sagte meine Freundin: Das Kino in Wesenberg steht zum Verkauf. Dann sind wir mit dem Fahrrad sofort dorthin geradelt. Es war wrackig und verriegelt.

Arno Bongartz: „Im Schaukasten hing ein kleiner Zettel, darauf stand, dass man es ersteigern kann als Restmasse bei der Treuhand – das war schon zehn Jahre nach der Wende.“

Christiane Bongartz: „Wir haben uns gesagt, wir versuchen das mal. Dass das finanzielle Risiko nicht so groß war, hat die Entscheidung erleichtert – und außerdem habe ich eine Liebe für alte Gebäude. Acht Wochen später haben wir es gekauft.“

Sie waren beide zu der Zeit voll berufstätig in Berlin – was hat Ihnen die Zuversicht gegeben, dieses Kinoprojekt nebenbei zu schaffen?

„Wir sind davon ausgegangen, dass wir einen Filmvorführer haben werden und das hier zu Dritt machen. Anfangs hat das auch funktioniert, da hatte Neustrelitz ja noch kein Kino. Mittlerweile schmeißen wir den Laden nur zu zweit.“

Was muss man denn als Filmvorführer können?

"Damals mehr als heute. Man muss eine halbautomatische Maschine bedienen können. Dazu bedarf es einer Zusatzausbildung. Wir haben einen Filmtechnikerschein.“

CA Bongartz

Cineasten mit Herz für die Norddeutsche Tiefebenenlandschaft: Christiane und Arno Bongartz

Wir wird man als Landkino aufgenommen?

„Wir machen Mischprogramm – Mainstream plus Kultur. Da können wir mit den großen Kinos ganz gut mithalten. Und dann noch die Privatvorführungen.“

Man kann Ihr Kino mieten?
"Klar, ich besorge Ihnen auch den Film, den Sie sehen möchten. Einmal habe ich einem Mann aus Berlin einen DEFA-Film als Privatwunsch gezeigt. Als die Kiste mit den Rollen ankam, hat das so gestunken, dass ich den erstmal ein paar Tage lüften lassen habe.“

Was kostet eine Privatvorstellung?

"Für digital angelieferte Filme fallen Grundkosten von circa 140 Euro an, plus Saalkosten und die Kosten für meine Anwesenheit. Neulich hatte ich eine Wohngruppe aus der Gegend, die wollten das Dschungelbuch mal in Groß sehen. In solchen Fälle machen mir die Verleiher auch mal einen guten Preis. Ich bin da nicht so festgelegt. Aber im Sommer ist es günstiger, im Winter kommen noch Heizkosten dazu.“

Wie viel haben Sie bisher in dieses Projekt reingesteckt?
„Etwa 150 000 Euro, alles aus eigener Tasche. Wir haben bisher nie Fördermittel in Anspruch genommen.“

Hätte es welche gegeben?

„Das Gebäude steht ja Denkmalschutz. Es wurde 1936/37 als Filmtheater erbaut. Und es ist meines Wissens nach das einzige der Region, dass in seiner ursprünglich angedachten Funktion noch existiert und genutzt wird. Die Frau von der unteren Denkmalschutzbehörde kam hier in weißen Stöckelschuhen zur gemeinsamen Objektbegehung. Es war veralgt, es war feucht, der Vorhang war von Ratten zerfressen. Sie hatte keine Ahnung von Kinoarchitektur. Sie wollte die krankenhausgrüne PVC-beschichtete Wandbespannung erhalten. Ich habe ihr ein Ultimatum gestellt: Entweder wird es ein Kino oder ein Bootslager. Und Kino heißt, dass wir gewisse Dinge ändern müssen – auch die PVC-Wandbekleidung.“

Wie viel Freizeit haben Sie?
„Wenig. An circa 30 und 40 Wochenenden im Jahr bin ich hier im Kino.“

Wohnen Sie in Wesenberg?

„Noch nicht. Wir haben noch eine Baustelle nebenher, deshalb habe ich im Moment gar keine Freizeit. Wenn wir hier sind, übernachten wir im Personalraum, da gibt’s auch eine Dusche. Mini-Ferienwohnung im Kino. Aber wir halten uns Berlin als Alternative offen.“

Was hält Sie bei der Stange?

"Wir haben hier sehr liebe Leute, viele Stammkunden kommen aus Waren, Rechlin und Mirow. Zu bestimmten Terminen kommen die zusammen, oder man klönt auch mal nach der Vorstellung. Und dann haben wir ja noch unsere Silvestervorstellung. Das erste Mal war es eine Krimi-Nacht mit Orientexpress und so. Vor der Leinwand war ein Buffet aufgebaut, damit niemand verhungert."

Was gibt es dieses Jahr Silvester?
Den neuen Star-Wars-Film. Wir haben da einen festen Kern, der danach noch ein wenig zusammensitzt.

Darf man mitmachen?

Klar. Wir schließen niemanden aus.

Haben Sie Pläne für die Zukunft des Kinos?

Wir wollen die Sitzplätze nach und nach aufarbeiten. Nach 18 Jahren sind die nun fällig, da kann man nicht meckern. Dafür kriegen wir sogar mal eine Förderung.

Restaurieren steht für die Hoffnung, dass es weitergeht…

„Natürlich geht es weiter. Aber ehrlich gesagt: Ohne Popcorn würden wir es finanziell nicht schaffen.“

Der Spielplan ist online unter:

https://kinowesenberg.de/

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