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Bootsbauerin Christin Hacker

Menschen ·
Christinhackerfinalneu

Foto und Text von Annika Kiehn



Etwas hinzuschmeißen, für das man sich jahrelang den Arsch aufgerissen hat, erfordert Courage. Christin Hacker hat ihre Karriere als Profi-Kanutin zugunsten ihrer Gesundheit aufgegeben. Und sagt, dass es beste Fehler ihres Lebens war. Mit Anfang Dreißig betreibt sie ihre eigene Werft in Malchin und darf sich als eine von wenigen Frauen in Deutschland "Meisterin für Bootsbau" nennen.


Was motiviert Dich, morgens aufzustehen?

Im Moment sind es vor allem meine kleinen Töchter.

Was bedeutet Dir Deine Arbeit?

Nach der Familie, alles. Alles im Sinne von weniger Freizeit haben, dafür – den zufriedenen Gesichtsausdruck des Kunden im Gesicht, die Verwandlung vom Boot. Dieser Antrieb, etwas Gutes zu produzieren, dass auch andere glücklich macht, trägt mich Tag für Tag.

Was war der Impuls für Dich, diesen Weg zu gehen?

Ich bin ja jahrelang gepaddelt, auf allen Gewässern Deutschlands. Da dachte ich mir – als Bootsbauerin kommst du vom Wasser zum Wasser. Jetzt die Boote treiben zu sehen, die ich repariert habe, ist einfach toll. Zu wissen: den Bug habe ich ausgekleidet, das Deck habe ich gebaut, macht mich stolz. Ich will damit nicht prahlen, aber die Wertschätzung ist enorm. Und ich wollte etwas machen, wo ich in Bewegung bleibe. Büroarbeit oder ein Studium wären gar nichts für mich gewesen.

Was bedeutet Erfolg für Dich?

Mich und die Menschen um mich herum zufrieden zu sehen – in 20 Jahren zurückzublicken, und sagen zu können, wow, wie habe ich mal angefangen. Im Alltag: Mein Pensum zu schaffen und rechtzeitig das Kind aus dem Kindergarten abholen zu können.

Wie rappelst Du Dich nach Rückschlägen auf?

Mir hilft es sehr mit meinem Mann darüber zu sprechen. Als ich noch Leistungssportlerin war, hat mir mein Mental-Trainer vermittelt, dass ich mich darauf einlassen soll, warum die Dinge so gelaufen sind. Ich habe früh gelernt, dass Rückschläge normal sind und dass man sie in Motivation umwandeln sollte fürs nächste Mal. Gar nicht erst anfangen zu grübeln, dann kommt man auch nicht weiter.

Was tust Du, wenn Du mal nicht weiterkommst?

Ich gehe raus in die Sonne und lasse für zehn Minuten die Seele baumeln, oder ich rufe jemanden an, um mich abzulenken. Wenn es gar nicht geht, lasse ich das Ganze auch mal einen Tag ruhen und gehe dann mit ein bisschen Abstand noch mal ran. Dann schnapp ich mir Hund und Kind und gehe eine Runde im Wald spazieren, dann fällt mir meist etwas ein.

Was inspiriert Dich?

Die Natur generell. Ich bin gern in der Nähe vom Wasser.

Hacker2 Final

Welche Entbehrungen nimmst Du in Kauf, um das zu tun, was Du tun möchtest?

Meine Tochter acht Stunden in den Kindergarten geben zu müssen und meinen Mann genauso wenig zu sehen. Manchmal würde ich sie beide gern um 13 Uhr abholen und etwas Schönes mit ihnen unternehmen. Als Selbstständige steht es mir theoretisch frei, das zu tun, aber dann bleibt die Arbeit liegen. Manchmal schreibe ich abends um halb zehn noch Rechnungen oder gehe um halb neun zurück in die Werkstatt, um etwas zu lackieren. Da habe ich mehr von, als wenn ich vorm Fernseher sitze, obwohl ich das manchmal auch lieber täte. Ich hätte auch angestellt sein können –aber dann müsste mein Kind ja noch länger in den Kindergarten bei den Arbeitszeiten.

Was bist eher: Mutter oder Geschäftsfrau?

Definitiv beides – und zwar gleichermaßen! Ich bin sehr energisch, das habe ich von meiner Mutter, und der Sport hat sein Übriges dazu getan. Ich kann meine Firma führen und meine Kinder erziehen und dabei unabhängig sein. Ich muss meinen Mann auch nicht immer fragen, ob ich mich mit jemandem treffen kann. Bei uns läuft das so: ‚Schatz, morgen ist das und das, stell Dich drauf ein!'

Als ich schwanger war, wurde ich gleich gefragt, ob ich nicht weniger arbeiten will – warum ich? Es ist so ein Klischee, dass erwartet wird, dass die Frau sich beruflich zurücknimmt. Meine Töchter werden von dieser Denke gewiss auch noch nicht verschont bleiben, aber vielleicht deren Kinder irgendwann.

Du hast zwei Wochen nach der Geburt Deines ersten Kindes wieder am Unterricht des Meisterkurses in Rostock teilgenommen...

Ja, mir war wichtig, das anzufangen. Der Kurs startet nur alle zwei Jahre und ich wollte nicht warten...mein Mann hat nebenan auf die Kleine aufgepasst.

Wovon träumst Du?

Ich möchte gern mein eigenes Boot bauen.

Und ich wünschte, die Menschen wären zufriedener mit sich. Wir haben immer so viel zu tun, viel zu viel, dadurch sind wir schnell gereizt. Uns fehlt die Ruhe, wie man sie heute noch bei seinen Großeltern findet. Meine Oma ist fast 90 Jahre alt, die mault mal, weil das Fernsehprogramm Schrott ist, aber ansonsten scheint sie sehr ausgeglichen - wenn ich bedenke, was diese Generation alles erlebt hat! Ich tue mich schwer damit, zufrieden zu sein. Aber ich übe mich darin, meine Werkstatt abzuschließen und mir zu sagen ‚leck mich am Arsch‘. Was nicht heißt, dass ich das Telefon stumm schalte.

Was regt dich auf?

Wenn Mitmenschen mir meine Zeit klauen und dabei unprofessionell sind. Mir wollte mal jemand ein Auto verkaufen. Der konnte weder meinen Namen aussprechen und einen Termin hatte er auch nicht. Sowas regt mich auf.

Welcher Fehler hat sich je zu Deinem Vorteil entwickelt?

Meinen Leistungssport aufzugeben. Ich hätte auch weitermachen können, mich gesund spritzen, operieren lassen. Dieses Aufgeben damals hat mich auf einen neuen Weg gebracht, hat mich positiv verändert, zumindest sagen das die anderen. Im Sport habe ich gelernt, mich immer aus einem Loch ziehen zu können, immer zu müssen. Inzwischen bin ich etwas weiter und habe gelernt, dass auch mal „können oder dürfen“ auch sehr schön ist.

Worauf bist Du stolz?

Auf den Weg, den ich gegangen bin - in puncto Ausbildung, Freunde, Familie, mit allen Höhen und Tiefen. Mein Leben war bisher sehr vielschichtig, allein 2014 ist in kurzer Zeit sehr viel passiert: Hochzeit, Meisterschule, Firmenvorbereitung, das erste Kind - das ist irre, wenn ich so darüber nachdenke. Und es sieht nicht so aus, als es unbedingt ruhiger wird in der kommenden Zeit, denn jetzt haben wir ja zwei Kinder.

Was magst Du an dem Ort, in dem Du lebst?

Die Natur, die Nähe zur Peene, zum Kummerower See, zu den Naturschutzgebieten, hier ist die Welt noch in Ordnung.

Was sollte man in Malchin unbedingt gesehen haben?

Ach, das ist doch ein Kaff! Die Umgebung ist schöner, das Schloss in Basedow oder in Kummerow, zum Beispiel. Aber wenn man sich unbedingt etwas ansehen möchte, dann die evangelische Kirche auf dem Markt. Auch wenn man kein Kirchgänger ist, die ist wirklich schön.

Mehr Impressionen zu Christin Hacker gibt's in der tollen Webserie "Abenteuerland Seenplatte": Frauenpower unterm Bug:

https://www.youtube.com/watch?v=hpttMJAh2Ps




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