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Ali Baba im Gutshaus und ein Open Space Atelier in Hohenbrünzow

Erleben ·
Hofvonschweinenaushohenbrünzow NEU

Fotos und Text: Annika Kiehn

Es war einer dieser seltenen Tage, aufregend wie ein eingetretener Kaugummi unter der Schuhsohle. Zum Glück hatten wir am Nachmittag noch eine Verabredung zur orientalischen Lesung – auf zum Gutshaus Hohenbrünzow!

Gernot, auch GriSu genannt, öffnete uns strahlend im Kaftan die Haustür. Dank seiner Fröhlichkeit erwachten wir aus unserem Grummelmodus. Mein Blick wanderte sofort zur Tür mit dem Schild: Privat. Dahinter der große Saal. „GriSu, darf ich mal kurz luschern?" - "Klar!“ Welch‘ prächtige Stuckdecke...! Wo doch sonst seit 1945 etliche architektonische Details in diesem Haus bösartig weggeklopft worden sind.

Wie sind wir hier gelandet?

Es ist Schlösserherbst (noch bis zum Sonntag, dem 3. November 2019), für Gutshaus-Fans die ideale Gelegenheit für eine kleine kulturelle Auszeit im historischen Ambiente und Hohenbrünzow beteiligte sich dieses Mal mit einer Prise Zauber aus dem Orient.

Doch die Geschichte hat wesentlich früher begonnen - mit der großartigen Wilfriede Maaß, Schwiegermutter von GriSu und Mutter seiner Partnerin Swanhild Maaß. Wilfriede Maaß ist eine Koryphäe der DDR-Keramik, mein Bruderherz und ich sammeln ihre Stücke. Über ihre Kunst habe ich sie auch persönlich ein bisschen besser kennen - und schätzen gelernt. Diese sanftmütige Frau birgt eine vielschichtige Vergangenheit mit enorm aufständischem Potenzial in sich. Künstlerische und politische Oppositionelle der DDR gingen damals in ihrer Keramik-Werkstatt im Prenzlauer Berg bei ihr ein und aus.

Vergangenes Jahr traf ich ihre Enkelin Quila an ihrem Stand in Klempenow, wo im Juni der schöne Jahrmarkt stattfindet. Zur selben Zeit war die übrige Familie das Gutshaus in Hohenbrünzow besichtigen und ich habe mich sehr gefreut, als ich ein paar Monate später erfuhr, dass der Kauf tatsächlich zustande gekommen war. Inzwischen haben GriSu und Swanhild den heiligen Rest ihres Berliner Lebens in ihren VW-Bus gezwängt, um in Vorpommern den Neustart zu wagen - im Sinne der Kunst und der Gemeinschaft. Quila, die noch in Berlin lebt und arbeitet, kommt wann immer sie es schafft, zu Besuch.

Wir trafen uns bei der Lesung wieder. Ali Baba und die vierzig Räuber also, hört man ja nicht alle Tage. Dazu Baklava, Lokum und süßer Tee. Die späte Nachmittagssonne schenkte uns warmes Licht. Teppichhändler Orhan Kiran und seine Frau Janette, Freunde der neuen Gutshaus-Besitzer, haben mit bunten Kelims, die sie in Berlin verkaufen, die weißen Wände zu einer märchenhaften Orient-Kulisse verwandelt. Janette las uns vor, umringt von großen Kissen. Ich stellte mir vor, wie ich da läge und mich jemand Liebes krault, während wir zuhörten.

Orhan und Janette hat ebenfalls das Landfieber gepackt, zwei Kilometer entfernt haben sie ein Haus erworben. Gemeinsam wollen die vier Freunde nun ihre persönliche Metamorphose ausleben. Swanhild gibt Taijiqan-Kurse im Dorf, einen Swingkurs haben sie schon im Haus veranstaltet. Der Anfang eines wundervollen kreativen Strudels und ich bin gespannt, was noch alles aus ihm hervorgehen mag.

LESUNG
Stuck Hohenbrünzow NEU
Mitden Lesenden

Bevor man sich versieht, hält man eine Mandarine. Einfach so, im Beisein von Orhan und Janette Kiran und GriSu (rechts). Aufnahme: Swanhild Maaß

Familienbande

Familienbande: Wilfriede Maaß (ganz hinten) und die Gang: Max und Nouma, Swanhild und Quila.

Wie günstig, dass die Nachbarn, die den ehemaligen Gutshof gegenüber
wach küssen, ähnlich gestrickt sind.

Quila nahm uns spontan mit auf einen ausgiebigen Rundgang über das Gelände und erzählte uns eine wundervolle Neuzeit-Geschichte, die sich um diese lang verwaiste Gutsanlage spinnt: Ersteigert von einem Onkel, der zusammen mit seinen drei Neffen – Designer, Architekten, Handwerker, Visionäre allesamt – die großen Scheunen aus dem 19. Jahrhundert und das alte Inspektorenhaus in erstaunlich kurzer Zeit behutsam restaurieren. Wohnwagen pflastern das große Areal und geben zu erkennen, dass Aussteiger-Ambitionen à la Workaway dringend erwünscht sind.

In gerade einmal zwei Jahren haben sie viel erreicht: Communityraum und Büros im Mega-Aufbau auf den Gemäuerresten. Eine professionelle Tischlerei im Erdgeschoss. Steinofen, Erdsauna und ein großer Gemüsegarten für den Genuss. Und nebenbei gaben sie erste spannende Workshops, die wir gern mitgemacht hätten: Kompostklo bauen, Lehmputz auftragen oder Sauerteigbrote backen. Inzwischen haben sie eine klare Vision für all den Platz: Ein offener Workspace in der Natur, um den Stress des Alltags auszublenden. Ein Ort zum Sein. „Atelier 17111“ heißt die Einladung zum future playground Hohenbrünzow, zu finden bei facebook oder auf ihrer Webseite. https://atelier17111.com/


Wilde Schafsjagd
Gutshofsonnenuntergang NEU


Ali Baba and a unique workspace at manor Hohenbrünzow

Oh folks, you know when you are having one of those grumpy days, when everyone seems to be annoyed by his or her own presence and you just wish everyone around you to vanish for an hour or so.

Well, with this kind of mood we hopped in the car this last Sunday arvo in October. 40 Minutes later our grumpiness vanised as soon as arrived at manor house Hohenbrünzow. The place still appears more or less abandoned and is about to be restored by its new owners, Swanhild and Gernot, who welcomed us with warm smiles and an oriental setting. Their good friends Orhan and Janette Kirhan, who usuallyy sell turkish rugs in Berlin, read out the fairy tale of Ali Baba and the fourty robbers and with this colourful rugs they turned those white walls into a cosy world, which was accomanied by original Turkish Baclava and sweet tea. It was lovely and I was glad about the distraction.

I have come to know the family due to their woman-patriarch Wilfriede Maaß, a GDR-luminary of high class pottery. It was my lovely brother who pointed me towards her and we both are passionate collecters of her pieces. Besides I am a huge fan of her as a human being. Her tender and generous soul holds a great sense for community and free spirit and whenever I acquire a new piece of hers, we seem to get more and more involved with each other, which I dearly appreciate.

It was her granddaughter Quila, who made me aware of her parents plans to resettle from in order to start a new life in the vast countryside in Vorpommern.

This reading was part of the Schlösserherbst, a short-term programm of cultural highlights in manor houses, including fancy schmancy dinners and even Tango sessions for beginners and this year Swanhild and Gernot in Hohenbrünzow participated as well. Ali Baba and the fourty robbers, it was. It came with baklava and sweet tea.

Opposite from their property lingers the old manor estate with huge barns, built in the 19th century. The place is being restored by a creative bunch of three brothers and their uncle.

With their crafty skills they intend to turn this once abandoned place into "a playground for the future“ as they describe it on their webside. People are invited for workaway-stays, and if you feel a desire to commit straight away, you can become a member in their Atelier 17111 e.V.. Within a span of merely of less than 3 hours, we found ourselfs in the midst of an evolving process of creative adventures in this village of Hohenbrünzow – and I am very sure, it will not take long for me to return there…

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