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Charmant kaputt - Gutshaus Vogelsang

Gutshäuser ·
Aufmacherdsl Story

Fotos und Text von Annika Kiehn

Denkmalbehörden sehen es in der Regel gern, wenn Gutshaus-Retter die Millionen im Überfluss mitbringen und es zügig mit der Sanierung vorangeht. Als der Rostocker Robert Uhde die Ruine Vogelsang 2010 kaufte, galt sie bereits als „verfallen“. Doch er war verknallt und kämpfte: gegen den Hausschwamm, Wildwuchs und eindringendes Regenwasser. Mehr als zehn Jahre später erstrahlt das Herrenhaus Vogelsang mit dem Charme des Unfertigen. Und manch einer würde bestimmt "Ja" antworten auf die Frage: Sollte man es nicht lieber so lassen wie es ist? Spätestens wenn Hängebauchschwein Lola Schwanz wedelnd durch die herrschaftlichen Räume wandert, ahnt man, dass an diesem Ort alles ein bisschen anders ist.

Robert Froschperspektive

Robert, wie bist Du zu zum Thema Gutshäuser gekommen?

Alte Häuser faszinieren mich schon immer. In Rostock, wo ich aufgewachsen bin, habe ich kurz nach der Wende die alte Gerberei saniert. Als ich noch in Berlin Medizin studiert habe, bin ich immer zurück nach Mecklenburg, um historische, unbewohnte Häuser aufzusuchen. Ich finde es immer wieder schön, übers Land zu fahren und meine Heimat zu spüren. Zur gleichen Zeit habe ich mit meiner Agentur erste Veranstaltungskonzepte entwickelt, wie die lange Nacht der Wissenschaften in Rostock. Ähnliches wollte ich auch für Gutshäuser auf die Beine stellen. Ich dachte: Hey, Kulturerbe! Gutshäuser! Dorf! Da muss doch was gehen in der Pampa, wo wenig Tourismus vorherrscht. Dass ich irgendwann selbst ein Gutshaus haben würde, war mir zwar so nicht klar, aber unterbewusst habe ich den Wunsch schon immer gehegt.

Warum hast Du Dir Vogelsang ausgesucht?

Du meinst, woher die Lust aufkam, mich an diesem großen Brocken zu verschlucken? Das erwuchs aus einer vielversprechenden Kombination: Die Mittsommerremise, das Gutshaus-Festival, das ich initiiert habe, lief gut an, ich suchte die Nähe zum Parkland, das sich auf dem Gebiet Gutshaus-Tourismus bereits entwickelt hatte. Ich weiß aber noch, dass Vogelsang mich im ersten Moment nicht angesprochen hat. Es war unheimlich kaputt und von Straße nicht zugänglich. Wegen der Pferdelogistik mit dem großen Marstall und seinen Koppeln haben wir uns trotzdem dafür entschieden. Meine Mutter hat nach dem Krieg in Teterow ein neues Zuhause gefunden, weshalb ich mich dieser Gegend auch emotional verbunden fühle.

Was war das bisher Unvorhersehbarste, das Dir mit dem Haus passiert ist?

Jetzt der Moment, wo es besonders schön wird. Willst Du das nochmal hören, Isa?

(Ehefrau Isa lacht) Unbedingt!

Gut.

Damals habe mir dieses Schloss mit einer Frau gekauft, die kurz darauf einen anderen Weg eingeschlagen hat. Sie war auf einmal auf einem Selbstfindungstrip und meinte, ich könne mit dem Schloss machen, was ich will. Da sie aber auch im Grundbuch stand und ich gerade 300 000 Euro verbaut hatte, war es recht kompliziert, das Ganze auseinander zu klamüsern. Ich musste es ihr zu dem neuen Marktwert abkaufen, bestimmt von einem Gutachter, der mich auch noch ein paar Tausend Euro gekostet hat, zu einem Preis plus Grundsteuer, bei dem dir keiner mehr Steuerhinterziehung vorwirft. Und dann war ich pleite.

Ich habe durchaus beobachtet, dass nur wenige Beziehungen so ein Projekt überstehen. Die meisten Häuser verlangen enorm viel Aufmerksamkeit, da kann es schnell passieren, dass der andere Partner dann doch nicht mehr will oder das Schicksal funkt dazwischen. Das ist wie ein Kind, aber wenn du es noch nebenbei als Nest für Dich ausbaust, ist das ‘ne harte Nummer.

Lola

Hast Du je gezweifelt, ob das eine gute Entscheidung war?

Zum Zeitpunkt des Kaufes haben alle gesagt, dass ich ‘nen Schuss habe. Gleichzeitig wussten sie, dass ich als Bauherr Erfahrungen hatte und alles, was ich angefasst habe, auch geklappt hat. Wenn ich irgendwo starte, habe ich schon einen Masterplan – wie muss ich Notsanieren, wie den Kontakt zum Dorf finden. Die Strecke haben wir bisher ganz gut gemeistert, trotz der überschaubaren Ressourcen, die wir hatten.

Das Haus hat ja trotz seines miserablen Zustands schnell Früchte getragen. Die Probleme der vergangenen Jahre waren sehr vielschichtig, aber ich habe nie in Frage gestellt, ob wir weitermachen sollten. Isa und ich sind Knecht und Magd dieses Hauses und ich verstehe es durchaus als Last, aber nach drei, vier intensiven Arbeitsjahren kam der Moment, ab dem es anfing, uns sehr viel zurückzugeben. Wir feiern hier schöne Feste, sind in der Sommersaison ausgelastet. Wir halten uns ganz gut.

Welchen Bauvorgang würdest Du gern rückgängig machen?

Den Neubau der Terrasse. Die Baufirma hat das Gefälle nicht berücksichtigt und wenn es regnet, läuft das Wasser nun auch ins Haus hinein. Leider ist die Firma ist jetzt insolvent, weshalb wir keine Schadensansprüche machen konnten.

Wie wäre dein Leben ohne Gutshaus?

Keine Ahnung. Das ganze Revival in der Wahrnehmung des Kulturerbes treibt mich an. Gutshäuser bieten viel Entwicklungspotential für unseren Landstrich, deshalb bin ich auch so dran an dem Thema. Knapp 30 Jahre nach ihrer historischen Enthauptung (die Trennung der Häuser von den Ländereien) nehmen sie eine ganz neue Rolle ein. Sie sind nicht mehr der Agrarbetrieb, sondern werden von modernen Menschen genutzt, in den unterschiedlichsten Weisen. Ich denke, dass die Häuser Antworten geben können auf bestimme Fragen, die so noch keiner gestellt hat, Stichwort: demografischer Wandel, Neue Ländlichkeit und die Entwicklung unserer Gesellschaft.

Kurzum: Es wäre wesentlich langweiliger.

Es wäre weniger inspirierend und das Haus tut mir ja nicht weh, auch wenn ich schon wieder ganz schön dreckig bin, seit ich hier bin.

Wie hast Du Dich in all den Jahren verändert?

Ich bin zuweilen emotionsfreier geworden. Ein Gutshaus bietet selten Erholung, die Arbeit springt einen förmlich an. Ich hoff,e dass es besser wird. Dafür haben wir tolle Begegnungen mit spannenden Menschen und ihren Ideen und Projekten, die sie hier mit uns realisieren wollen. In solchen Momenten kann ich mich schon begeistern, aber ich sehe eben, was noch alles zu tun ist.

Das ist so ein Entdeckerding, als wenn Du den Nordpol suchst – es war ziemlich lange Niemandsland und es ist immer noch nicht stabil.“

Glaubst Du, dass Du je ankommen wirst?

Ich hoffe, dass das Haus noch Generationen beschäftigen wird. Ich bin jemand, der gern Projekte entwickelt, aber wenn etwas steht, kann ich es auch abgeben. Von daher sage ich gern: Mein Schloss wird nie fertig und das finde ich gut, weil ich es nicht wieder abgeben möchte.

Was fehlt Dir?

Andersrum: Ich schätze mein mir in der Rostocker Altstadt verbliebenes Büro. Ein Raum, der durch eine Zentralheizung warm bleibt. Zu wissen, dass ich dort, in diesem warmen Umfeld auch mein Geld verdienen kann, ist beruhigend. Hier (auf Vogelsang) gebe ich es nur aus.

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